Hanser Verlag, 2025, 23 €
Mit blinkenden Warnlichtern fährt die Erzählerin, eine namenlose Schriftstellerin, an den Straßenrand,
als ein unerwarteter Anruf sie erreicht. Am Apparat ist ein gefeierter Theatermacher, der sie für sein neuestes Vorhaben zu gewinnen versucht – ein in den Tropen angesiedeltes Stück, die
Rekonstruktion eines Falls. Wenige Wochen später bricht sie auf, um sich der Theatergruppe auf ihrem Gang ins tiefe Innere des Urwalds anzuschließen. Dorothee Elmiger erzählt eine beunruhigende
Geschichte von Menschen und Monstren, von Furcht und Gewalt, von der Verlorenheit im Universum und vom Versagen der Erzählungen.
Aus dem Englischen von Tanja Handels.
Claassen Verlag, 2025, 20 €
Irene Dische erzählt vom bewegten und überraschenden Leben der hochadligen Alice von Battenberg, der Großmutter des britischen Königs Charles III. Ihre faszinierende Intelligenz – sie, die gehörlos geboren wurde, las in fünf verschiedenen Sprachen von den Lippen ab –, aber auch ihre überbordende erotische Lust in Verbindung mit ihrer nahezu fanatischen Beziehung zu Gott ließen Alice von Battenberg zur Bedrohung für all jene werden, die ein traditionelles Frauenbild in Königskreisen konservieren wollten. Ihre Familie wandte sich ab und brachte sie in einer der frühen Psychiatrien unter, der sie unter größter Gefahr entkam. Fortan lebte sie unter größter Einsamkeit in Griechenland, wo sie eine Suppenküche für die Ärmsten unterhielt. Doch auch dieses dem Höheren gewidmete Streben wurde hinweggespült, als Griechenland Ende der 1960er Jahre einen Militärputsch erlebte.
Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl
und Dirk van Gunsteren.
Rowohlt Verlag, 2025, 26 €
Milwaukee, 1932: Amerika steckt in der Großen Depression, die Aufhebung der Prohibition steht kurz bevor, Al Capone sitzt im Knast. Hicks McTaggart, Privatdetektiv, nimmt einen Routinejob an: Er soll die ausgebüxte Erbin eines Käse-Fabrikanten ausfindig machen und nach Hause bringen. Doch unversehens findet er sich auf einem Ozeandampfer wieder und landet schließlich fern jedem Seehafen in Ungarn, wo eine Sprache wie von einem anderen Stern gesprochen wird und es genug Backwaren gibt, um einen Detektiv bis ans Lebensende zu versorgen, aber jede Spur von der flüchtigen Erbin fehlt. Als Hicks sie endlich gefunden hat, steckt er bis zum Hals in Verwicklungen mit Nazis, sowjetischen Agenten, britischen Gegenspionen, Swing-Musikern und Liebhabern paranormaler Praktiken. Der einzige Hoffnungsschimmer am Horizont: Es kündigt sich die große Zeit der Big Bands an, und zufällig ist Hicks ein ziemlich guter Tänzer. Ob das ausreicht, um im Lindy-Hop-Schritt nach Milwaukee und in die normale Welt zurückzukehren, die es vielleicht gar nicht mehr gibt, steht auf einem anderen Blatt.
Aus dem Tschechischen von Raija Hauck.
Karl Rauch Verlag, 2025, 32 €
Prag nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – Siegesfreude und Aufbruch. Als Auschwitz-Überlebender kehrt der siebzehnjährige Petr (nach einer markerschütternden Flucht) in seine Heimatstadt Prag
zurück. Doch scheint die Gesellschaft zwischen Zukunftsoptimismus und verordneter Vergangenheitsverdräng-
ung keinen Platz für ihn und jüdische Schicksale zu haben. Gegen äußere Widerstände und das eigene Trauma beginnt Petr den Weg zurück ins Leben. Er begegnet dabei Ilse, einer jungen Prager Jüdin,
und verliebt sich. Die tschechoslowakischen Behörden stufen Ilse jedoch als Deutsche ein – sie wird ausge-
wiesen. Für Petr beginnt daraufhin eine Odyssee durch das Nachkriegseuropa nach Palästina, wo Ilse, wie sie versprochen hat, auf ihn wartet.
Rowohlt Berlin, 2025, 24 €
Alles beginnt, sogar das Ende, als Lajos von Lázár, das blonde Kind mit den wasserblauen Augen, zur Welt kommt. Seinem Vater, dem Baron, wird der Sohn nie geheuer sein, als ob er dessen Geheimnis ahnte. Mit Lajos’ Geburt im Waldschloss bricht auch das 20. Jahrhundert an, das das alte Leben der Barone Lázár im südlichen Ungarn für immer verändern wird. Der Untergang des Habsburgerreichs berührt erst nur ihre Traditionen, aber alle spüren das Beben der Zeit, die schöne Mária ebenso wie der geisterhafte Onkel Imre. Als Lajos in den zwanziger Jahren sein Erbe antritt, scheint der alte Glanz noch einmal aufzublühen. Doch die Kinder Eva und Pista – der das Dunkle so liebt – müssen erleben, wie totalitäre Zeiten ihre wuchtigen Schatten werfen – und lernen, gegen sie zu bestehen.
Ein Roman wie eine Welt, die überwältigende Saga einer Familie, getrieben von der Liebe und der Sehnsucht nach ihr, in den Strudeln des 20. Jahrhunderts. Fesselnd und berührend, zugleich voller Leichtigkeit, voller Träume und Geheimnisse, in denen sich die ganze Tragik und Schönheit der Existenz spiegelt. Und – ob angesichts historischer Katastrophen oder schöner Sommertage – die ewige Frage, wie man leben soll.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke.
Geparden Verlag, 2025, 27 €
Eine Panik-Attacke mitten in einem Londoner Bahnhof, eine frisch verheiratete Frau, die unsicher ist, ob sie nicht doch einen Fehler gemacht hat, und eine Protagonistin, die sich nach dem Verlust von Mann, Tochter und Mutter in einem neuen Leben einrichten muss. A. L. Kennedy mutet ihren Figuren einiges zu und scheut sich nicht, dorthin zu schauen, wo das Leben schmerzhaft ist. In den dreizehn in diesem Buch versammelten Erzählungen (2020 in England erschienen) schreibt sie davon mit so viel Mitgefühl, dass sie auch wenig optimistischen Leserinnen und Leser Hoffnung gibt. Und auch der bekannte ironische, trockene Humor, den man von A. L. Kennedy kennt, fehlt in diesen Texten nicht. Sprachlich eindrücklich und mit inhaltlichem Tiefgang beweist die Autorin in ihrem neuen Buch, wie sehr ihr die dichte Form der Erzählung liegt.
Aus dem Französischen von Claudia Hamm.
Hanser Verlag, 2025, 24 €
Nur Yasmina Reza schreibt so lakonisch und klug über die Kippmomente der Existenz.
Seit Jahren beobachtet Yasmina Reza Strafprozesse. Es sind Geschichten, die man mit angehaltenem Atem liest. Ein Mann ermordet die vierköpfige Familie seines Schwagers und legt die Leichenteile seiner Frau zu Füßen. Eine Frau klagt wegen Vergewaltigung und schreibt dem Täter danach glühende Liebesbriefe. Lakonisch und beinahe zärtlich porträtiert Reza die Menschen. Es geht nicht um Schuld oder Unschuld, sondern um den Moment, in dem ein Leben aus der Normalität kippt. Ebenso knapp und eindrucksvoll erzählt sie von persönlichen Begegnungen mit guten Freunden oder in der Familie. Reza zeigt „die Rückseite des Lebens, in seiner Unvollkommenheit, aber auch Heiterkeit“. Ein Meisterwerk voller Tragik, Komik und Empathie.
Aus dem Italienischen von Marina Galli
Kampa Verlag, 2024, 20 €
Eine kleine, aber feine und sehr ergreifende Wiederentdeckung ist diese Erzählung, die 1955 in Italien erschienen ist.
Von einem abgelegenen Schlag am bewaldeten Hang des Monte Berignone erhofft sich der frisch verwitwete Holzfäller Guglielmo ein gutes Geschäft. Er lässt seine zwei kleinen Töchter den Herbst und Winter über in der Obhut seiner Schwester zurück, um das Waldstück, mehrere Stunden Fußmarsch von der nächsten Siedlung entfernt, abzuholzen, gemeinsam mit seinen Männern: dem alles andere als umgänglichen, aber erfahrenen Fiore, dem alten Francesco, der als Arbeiter wenig taugt, aber immer etwas zu erzählen hat, dem freundlich farblosen Amedeo und Germano, gerade erst zwanzig Jahre alt, einem jugendlichen Charmeur und Angeber. Den fünf Männern steht zähe Arbeit in der Einsamkeit bevor, kalte Abende am Feuer mit nichts als Geschichten aus dem Krieg oder aus der Phantasie, unzähligen Zigaretten, dem endlosen Kartenspiel - und vielen Stunden der Stille. Immer wieder kehren Guglielmos Gedanken zu seiner Ehefrau Rosa zurück, die überraschend und viel zu jung verstorben ist. In der Abgeschiedenheit des toskanischen Waldes muss er sich der Trauer um diesen Verlust stellen.
Claire Keegan
Reichlich spät
Steidl Verlag. 15.- €
Im Steidl Verlag sind bisher sechs ihrer Bücher auf deutsch erschienen. Dies hat gereicht um ihr den bedeutenden Siegfried Lenz Preis 2024 einzubringen. Die Begründung : „Die Jury des Siegfried Lenz Preises 2024 zeichnet mit der 1968 in der irischen Grafschaft Wicklow geborenen Claire Keegan eine der großen europäischen Erzählerinnen aus. Ihr Werk, das 1999 mit der Kurzgeschichtensammlung Wo das Wasser am tiefsten ist einsetzte, zeichnet sich durch eine meisterhafte sprachliche Verknappung aus, die ihrer Prosa Dichte verleiht und dem Ausgesparten so viel Bedeutung wie dem Erzählten zuspricht.“
Vor wenigen Wochen ist ihr neues Buch erschienen: „Reichlich spät“. Eine meisterhafte Erzählung über die Befreiung einer Frau aus einer lieblosen Beziehung.
Eric de Kuyper
An der See
Wagenbach Verlag. 22.-€
Der Autor nimmt uns mit in seine Kindheit Ende der 40er Jahre. Seine Familie, aus Brüssel stammend, verbringt traditionell die Sommerfrische in Ostende. Ein herrlicher, nostalgischer Bericht über nicht enden wollende Sommerferien an der See!
Paul Auster
Bloodbath Nation
mit Fotos von Spencer Ostrander.
Rowohlt Verlag. 26.- €
Das letzte Buch von Paul Auster ist eine sehr persönliche Abrechnung mit dem Waffentragen in der amerikanischen Kultur und Gesellschaft. Er fängt an mit biografischen Skizzen bei den Spielzeugcolts seiner Kindheit, über eigene Erlebnisse in der Familie bis hin zu den alltäglichen Blutbädern durch Schusswaffengebrauch im heutigen Amerika. Ein brisanter Essay eines klugen und politischen Betrachters. Mit Fotos seines Schwiegersohnes, dem Fotografen Spencer Ostrander.
Rocko Schamoni
Pudels Kern
Hanser Verlag. 26.- €
20 Jahre nach „Dorfpunks“ veröffentlicht Rocko Schamoni die Fortsetzung seiner coming-of-age-Punk-Geschichte. Jetzt ist er 19 und aus der Provinz nach Hamburg gezogen. Er will feiern, Musik machen, Künstler werden. Ein wilder Ritt durch die 80er Jahre, durch die Subkultur der Stadt Hamburg! „Nichts hat mehr Bedeutung, alles fließt, wir sind Quallen der Liebe.“
Edward Brooke-Hitching
Die Bibliothek des Wahnsinns - Seltsame Bücher, skurrile Manuskripte und andere literarische Kuriositäten
Knesebeck Verlag, € 38,00
Eine Literaturgeschichte der anderen Art. Der Autor führt uns durch die Skurrilitäten der Literaturgeschichte und stellt uns dabei die seltsamsten Bücher vor, die je geschrieben wurden. Von
Büchern, die mit Blut geschrieben wurden, über in Menschenhaut gebundene Bücher oder eine Bibel, die eine Pistole versteckt, Diktaten aus dem Jenseits oder Bücher, so groß, dass man einen Motor
zum Umblättern braucht. Eine Schatzkiste für Bücherfreunde!
Charlotte Mullins
Die Geschichte der Kunst
C.H. Beck Verlag, € 38,00
Die englische Kunsthistorikerin Mullins fand die Zeit reif für eine neue Kunstgeschichte. Neben den klassischen Meisterwerken werden gleichrangig auch zum Beispiel die Nok-Terrakotten Nigerias, mexikanische Wandmalereien oder die feministische Kunst der Guerilla Girls vorgestellt. Eine Kunstgeschichte, die globaler, weiblicher und aktueller ist – und eine Reise durch 100.000 Jahre Kunstproduktion.
Hartmut Binder
Auf Kafkas Spuren – Gesammelte Studien zu Leben und Werk
Wallstein Verlag, € 89,00
Seit mehr als 50 Jahren beschäftigt sich Hartmut Binder mit Franz Kafka. Zwischen 1967 und 2020 wurden diese Studien verstreut publiziert. Nun sind diese Texte und Abbildungen zum ersten Mal in einem Band versammelt, neu durchgesehen und auf den aktuellen Stand gebracht. Ein großartiger Einblick in die Zeit und das Leben Kafkas!
Axel Hacke
Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte.
DuMont Verlag, € 20,00
Der kluge und manchmal gar nicht heitere Axel Hacke schreibt über die Möglichkeit des Heiterseins in diesen Zeiten. Das ist aufklärend, tiefsinnig, überraschend und – heiter.
Clemens Setz
Gedankenspiele über die Wahrheit
Droschl Verlag, € 12, 00
Der Droschl Verlag aus Graz gibt seit Jahren eine kleine, feine Reihe heraus: „Gedankenspiele über... Kluge Köpfe schreiben über große Worte“
Paul Jandl schrieb beispielsweise bereits über das Glück und Ilma Rakusa über die Eleganz. Nun legt der Büchnerpreisträger Clemens Setz ein großes Wort über die Wahrheit vor. Und dies tut er
gewohnt eigensinnig, eigenwillig und klug!
Teresa Präauer
Kochen im falschen Jahrhundert
Wallstein Verlag, € 22,00
Die junge Frau möchte eine Abendgesellschaft geben. Leider hat sie als weder Erfahrung als Gastgeberin noch Ahnung vom Kochen. Mit Ironie und Schärfe betrachtet Teresa Präauer eine Runde von
Mittvierzigern, die mal mehr oder weniger klug über die Probleme der Welt debattieren. Ein köstliches Kammerspiel!